Für mein Studium sollte ich eine Kritik zum neuesten Film von Pedro Almodóvar "Die Haut in der ich wohne" schreiben. Hier ist nun das Ergebnis:
Nichts ist wie es scheint
Der Blick führt zu einem noblen Anwesen in mitten einer spanischen Landschaft. Hängen bleibt er an einem vergitterten Fenster, das einen kurzen Moment lang Einblick gewährt in die Welt von Vera. Hinter einem Gitter ist sie im hautfarbenen Ganzkörper-Anzug zu sehen, als sie gerade mit Akribie Yoga-Übungen vollführt. Die bildschöne Frau besitzt offenbar jeden Luxus – eine Haushälterin, die sie rund um die Uhr versorgt, Bücher und sie wohnt in einer Villa. Doch das wertvollste Gut fehlt ihr: Freiheit. Gleich in der Anfangsszene seines neuen Films „Die Haut in der ich wohne“ konfrontiert der spanische Regisseur Pedro Almodóvar den Zuschauer mit zwei Motiven seiner Geschichte – Gefangenschaft und die Oberfläche.
Kenner von Almodóvars Stil wissen, dass die in seinen Filmen gezeigten Handlungen meistens trügerisch sind. Auch in seinem neuesten Werk, einer Mischung aus Körperhorror, Science-Fiction und Rachedrama, spielt der Spanier mit den Erwartungen der Zuschauer. Erneut verpackt er seine verstörende Geschichte auf unnachahmliche Weise in ästhetischen Bildern, bei denen er die Emotionen seiner Figuren in einer düsteren Atmosphäre künstlerisch inszeniert.
Vera (Elena Anaya) ist zugleich Patientin und Gefangene von Robert Ledgard (Antonio Banderas), einem erfolgreichen plastischen Chirurgen. Angetrieben von seiner grausamen Vergangenheit - innerhalb kurzer Zeit verlor er nicht nur seine Frau, sondern auch seine Tochter auf tragische Weise-, versucht er obsessiv die perfekte Haut zu erschaffen. Vera ist sein rund um die Uhr bewachtes Versuchsobjekt – ein Flickwerk, das er aus seiner eigens gezüchteten Haut zusammensetzt. In ihrer Verzweiflung versucht Vera zunächst vergeblich aus Roberts Fängen zu entfliehen. In ihrem hilflosen Zorn zerstört sie symbolisch Roberts Werk – in Form von Stoffstücken, die sie wild zerschneidet. Yoga ist indes der einzige Ausweg für sie, ein Stück Kontrolle über den eigenen Körper zu behalten.
Die genauen Hintergründe von Roberts schauderhaftem Vorhaben entblößt Almodóvar nach und nach in Form von Sprüngen in der Chronologie und Erzählungen aus der Vergangenheit. Doch trotz der erstklassigen Akteure und der perfekt inszenierten Handlung hinterlässt der Film ein beklemmendes Gefühl. Er strahlt Kälte aus – sei es durch die sterile Atmosphäre in Roberts Villa, die Skrupellosigkeit der Charaktere, oder die schockierenden Szenen, die Almodóvar mit leuchtenden Farben auf der Leinwand umsetzt. Der Film ist daher nichts für Zartbesaitete – aber Fans von Almodóvar kommen auf ihre Kosten.
O: La piel que habito (Spanien 2011) R: Pedro Almodóvar D: Antonio Banderas, Elena Anaya, Marisa Peredes, Jan Cornet; 120 Min